Der EncroChat-Hack: Europäischer Ermittlungserfolg oder gefährliche Massenüberwachung?

Unternehmen wie EncroChat wurden von den Behörden in Frankreich gehackt, weil viele ihrer Nutzer Kriminelle sind. Was in Deutschland womöglich illegal wäre, würde der kriminelle Tatbestand in Frankreich vor Gericht verwendet.

56 Tage lang hörten Ermittler Kriminellen dabei zu, wie sie Drogenkuriere organisierten, Morde beauftragten und Waffeneinkäufe abwickelten. 20 Millionen Chats wurden ausgewertet, nachdem französische und niederländische Beamte Anfang 2020 die im nordfranzösischen Roubaix befindlichen Server von EncroChat hackten. Das Unternehmen verkaufte Handys, die durch besondere Hardware und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung abhörsicher waren.

Auch in Deutschland wird EncroChat genutzt: 3000 Frauen und Männer, viele von ihnen Kriminelle, sorgen für eine Datenfülle, die von Polizei und Justiz kaum zu bewältigen sind. Zusätzliche Abteilungen wurden eingerichtet, um die enormen Einsichten in die organisierte Kriminalität zu verwerten. Bislang wurden über 2700 Ermittlungsverfahren eingeleitet, von denen 1000 zu Haftstrafen führten. Viele davon kamen durch EncroChat-Daten zustande.

Der Ermittlungserfolg steht trotzdem in Frage, zumindest in Deutschland: Verteidiger und einzelne Richter sind der Meinung, in dieser Form wäre die Datenerhebung in Deutschland nicht möglich gewesen. Eine Verwendung der Chats als Beweismittel vor Gericht kommt deshalb nicht infrage, weil es in der Strafverfolgung zu einem riskanten Präzedenzfall kommen würde, der die Grundrechte außer acht läßt und prädestiniert für eine nicht verhältnismäßige Massenüberwachung wäre. Überprüfbar ist der Vorwurf allerdings bisher nicht: Frankreich erklärte die Verantwortlichen und die genauen Gründe für den EncroChat-Hack aus Gründen der nationalen Sicherheit zum Staatsgeheimnis.