Bischof Gerhard Feige aus Magdeburg im Domgespräch
Im Bistum Magdeburg geht
Ökumene über das hinaus, was andernorts darunter verstanden wird. „Da
ist nicht mehr alles klar in Reservate aufgeteilt, alles durchmischt
sich“, sagte Dr. Gerhard Feige, Bischof von Magdeburg und Hauptzelebrant des diesjährigen Karlsamts,
beim Domgespräch. Das Gespräch findet seit über zehn Jahren
traditionell unmittelbar vor dem Pontifikalamt im Haus am Dom statt und
gibt die Möglichkeit, die Positionen des Gast-Bischof über die Predigt
hinaus kennenzulernen. Dass zum Karlsamt stets ein Gast aus einem
anderen Bistum, häufig sogar einem anderen Land eingeladen werde,
symbolisiere die Einheit Europas, für die Karl der Große stehe, erklärte
Prof. Joachim Valentin, Leiter der Katholischen Akademie und des Hauses
am Dom.
© A. Zegelman / Bistum LimburgGerhard Feige ist seit April 2005 Bischof von Magdeburg.
Nun kam mit Bischof Feige ein ausgewiesener Experte der Ökumene. Die
sei für den Bischof ja praktisch eine Art „Hauptberuf“, sagte Prof.
Valentin und spielte damit auf Feiges Amt als Vorsitzender der
Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz an. Valentin wollte
von seinem Gast wissen, was ihn ökumenisch derzeit umtreibe, zum
Beispiel mit Hinblick auf ein aktuelles Papier des Ökumenischen
Arbeitskreises zur gemeinsamen Eucharistie („Gemeinsam am Tisch des
Herrn“). Bischof Feige räumte ein: „Es gab schon erfreulichere Phasen.“
Manches Problem führe zu Stagnation, dann sei es wichtig, einen langen
Atem zu haben und nicht aufzugeben. Gleichwohl sei in Deutschland das
katholische und evangelische Verhältnis ausgeprägter als anderswo.
„Wird als schmerzhaft wahrgenommen“
Daraus folge, dass es viele gemischt-konfessionelle Ehen und
Partnerschaften gebe, in denen sich die Frage einer gemeinsamen
Eucharistie stelle. Dass diese nicht angeboten werde, würde als
schmerzhaft wahrgenommen. Die angesprochene Studie habe neue
Möglichkeiten und Wege aufgezeigt, müsse aber nun auch noch weiter
besprochen werden. „Es ist nicht alles klar. Es hat sich ja auch
gezeigt, dass Rom das kritisch sieht. Das müssen wir bedenken, gut
überlegen – und hoffentlich auf diesem Weg weiter vorankommen“, mahnte
Feige.
Die pastorale Realität, wie Prof. Valentin es ausdrückte, zeigt: In
Magdeburg wird, ebenso wie in Frankfurt, längst gemeinsam gearbeitet und
gelebt. „Wir sind schon lange zusammengewachsen, so dass Ökumene schon
seit Jahrzehnten kein Fremdwort mehr für uns ist“, so Bischof Feige. In
Magdeburg ist die Ökumene historisch gewachsen, auch aus Notwendigkeit
heraus: „In unserem Bistum gibt es etwa 3 Prozent Katholiken und 15
Prozent evangelische Christen. Orthodoxe und orientalisch-orthodoxe
Christen sind nicht so stark vertreten, so dass man sagen kann: Über 80
Prozent der Bevölkerung gehören keiner Kirche an und keiner anderen
Religion.“ Katholische und evangelische Kirche in der Minderheit - eine
enorme Herausforderung. „Da muss man wirklich suchen, welche Aufgabe,
Rolle und Sendung Kirche in solch einer Gegend hat“, so Feige.
Katholisch, evangelisch oder ganz ohne Gott?
Und das bedeutet manchmal auch ganz einfach, Synergien zu nutzen:
„Wegen Corona ging das 2020 nicht, aber in den letzten Jahren haben wir
die große Fronleichnamsfeier der katholischen Gemeinden im evangelischen
Dom gefeiert. Und ich kann noch ein extremes Beispiel nennen: Ich hatte
mal eine Firmung in der evangelischen Stiftskirche in Gernrode im
Vorharz.“ Drumherum alle evangelisch, die Gemeinde gemischt oder gleich
ganz religionslos: „Das ist unsere Situation, die wir erleben. Da ist
nicht mehr alles klar in Reservate aufgeteilt.“ Dies zeige sich auch bei
den Eheschließungen: Nur noch die wenigsten Paare, die sich katholisch
trauen ließen, seien katholisch-katholisch, die meisten seien
katholisch-evangelisch und auch sehr viele katholisch-konfessionslos. In
dieser Lebensrealität komme es natürlich ganz entscheidend darauf an,
wie man zueinander stünde, so der Bischof. „Wir Katholiken bleiben nicht
mehr unter uns, sondern suchen Sympathisanten, die die gleichen Ideale
und Ziele haben, mit denen wir in der Gesellschaft etwas bewirken
können.“ Das betrifft auch die inner-kirchlichen Einrichtungen: „Wir
haben unter dem Dach der Caritas gut 5000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter, und die wenigsten sind katholisch.“
Hinhalten wie einen warmen Mantel
Doch wie umgehen mit dieser Minderheitensituation? Kirche dürfe sich
auf keinen Fall aufdrängen und „penetrant mit irgendwelchen Losungen
kommen, sondern muss mit den Menschen ins Gespräch gehen und auch
zuhören, wie sie leben und denken. Unser Ansatz ist es, diakonisch zu
sein, also ihnen beim Leben zu helfen“, sagt Feige. Das kann zum
Beispiel auch über nicht-religiöse Lebenswendefeiern stattfinden, bei
denen am Rande auch ein Segen gesprochen wird. Hauptsache, für die
Menschen da sein – „und ihnen das Evangelium anbieten und hinhalten wie
einen warmen Mantel.“