Wie sinnvoll sind Haftstrafen in den überfüllten Gefängnissen?
Wie sinnvoll sind Haftstrafen in den überfüllten Gefängnissen? © Peter Reinaecker / pixelio.de

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Jenseits von Schuld und Sühne - Wie Strafe im Recht neu zu denken ist

Im Jahr 2023 waren in Deutschland rund 44.000 Personen inhaftiert. Der Sinn von Freiheitsstrafen wird kontrovers diskutiert: ob Strafe als Reaktion auf Unrecht, Abschreckung oder zur Resozialisierung dient. Frauke Rostalski sieht Strafe als Kommunikation mit dem Täter.

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Im Jahr 2023 waren in Deutschland rund 44.000 Personen inhaftiert. Diese Menschen verbüßen eine Gefängnisstrafe. Doch was bedeutet das genau? In der Gesellschaft wird immer wieder über den Sinn und Zweck von Freiheitsstrafen diskutiert.

Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, welchen Zweck Strafen erfüllen sollen, sei es von Rechtstheoretikern oder Praktikern der Resozialisierung. Ist die Strafe lediglich die Reaktion des Staates auf eine begangene Straftat, eine Reaktion, die das Unrecht ausgleicht und das Recht erwirkt? Nach dieser Auffassung würde die Strafe unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Wirkung betrachtet. Oder sollte die Strafe als Abschreckungsmittel für potenzielle Straftäter dienen? In diesem Fall würde der Straftäter jedoch nur als Mittel für einen präventiven Zweck genutzt. Sollte die Strafe stattdessen dem Täter oder der Täterin zur Besserung führen?

Wenn ja, wären die Ergebnisse mäßig: Innerhalb von sechs Jahren nach der Haftstrafe werden 44 Prozent der Verurteilten rückfällig. Frauke Rostalski sucht in dieser komplexen Debatte nach einem neuen, modernen Verständnis der Strafe jenseits von "Schuld und Sühne". Sie argumentiert, dass Strafe eine Form der Kommunikation mit dem Täter oder der Täterin sei. Durch die Strafe erhält der Straftäter eine Rückmeldung zu seiner Tat. Diese Rückmeldung ist ihm oder ihr geschuldet, weil er oder sie trotz der Straftat weiterhin ein gleichberechtigtes Mitglied der rechtsstaatlichen Gemeinschaft bleibt. Ein solches Verständnis lässt sich besser als andere Theorien mit den Prinzipien eines freiheitlichen Rechtsstaats, in dem das Individuum stets im Mittelpunkt steht, vereinbaren.

Zum Autor

Frauke Rostalski lehrt als Professorin für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität zu Köln. Zuletzt veröffentlichte sie die Bücher "Der Tatbegriff im Strafrecht" (2019) und – viel beachtet – "Die vulnerable Gesellschaft – Die neue Verletzlichkeit als Herausforderung der Freiheit" (2024). Seit 2020 gehört sie zu den Mitgliedern des Deutschen Ethikrats.

"Jenseits von Schuld und Sühne - Wie Strafe im Recht neu zu denken ist" im Überblick

Jenseits von Schuld und Sühne - Wie Strafe im Recht neu zu denken ist

von Frauke Rostalski

Sendezeit So, 18.08.2024 | 09:30 - 10:00 Uhr
Sendung Deutschlandfunk "Essay und Diskurs"
Radiosendung