Konzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 sah sich der russische Dirigent Tugan Sokhiev mit einem ernsten moralischen Dilemma konfrontiert: Er fühlte sich gezwungen, sich zwischen seinen Verpflichtungen beim Orchestre National du Capitole de Toulouse und dem Moskauer Bolschoi-Theater zu entscheiden und verabschiedete sich von beiden Engagements - eine Entscheidung, die Anerkennung verdient. Der inzwischen 47-jährige, international begehrte Sokhiev hat nun die Möglichkeit, seine Gastauftritte bei führenden Orchestern in Städten wie Berlin, Wien, Amsterdam, sowie in den USA zu intensivieren.

Mit einem faszinierenden Programm kehrt er zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zurück. Das Hauptstück ist die einzige Sinfonie des spätromantischen französischen Komponisten Ernest Chausson, die auch für das BRSO ein unbekanntes Terrain darstellt. Nach der bedeutenden d-Moll-Sinfonie seines Mentors César Franck komponiert, stellt Chaussons Sinfonie in B-Dur eine wahre Rarität dar. Obwohl die Sinfonie in Dur steht, durchzieht sie eine finstere, tragische Stimmung, die unweigerlich an den französischen "Wagnérisme" erinnert, im Geiste des "Parsifal" oder des "Waldweben" in "Siegfried". Diese Sinfonie entfaltet eine magische Wirkung, indem sie zwischen tiefer Kontemplation und triumphierenden Höhepunkten schwingt.

Zudem ist die harmonisch ansprechende Miniatur "D'un matin de printemps - An einem Frühlingsmorgen" von der ebenfalls früh verstorbenen Lili Boulanger ein unverzichtbares Highlight, mit dem Sokhiev sein Konzert eröffnet. Als Solist begleitet ihn der in der Ukraine geborene Israeli Vadim Gluzman, der mit dem anspruchsvollen und ausdrucksstarken Violinkonzert von Pjotr Tschaikowsky sein Debüt beim BRSO gibt. Über Generationen hinweg haben Geigenvirtuosen das einstige Urteil des prominenten Wiener Kritikers Eduard Hanslick, der die Musik von Tschaikowsky als unangenehm empfand, als das enttarnt, was es wirklich ist: absurd und überheblich.