Nazis bekämpft - Altnazis geschützt? Guy Stern und die Ritchie Boys

Die legendären “Ritchie Boys“ bestanden aus rund 9.000 jüdischen Männern, die aus Furcht vor dem Nazi-Regime aus Deutschland und Österreich in die USA emigrierten. Einer von ihnen, Guy Stern, feierte vor Kurzem seinen 100. Geburtstag.

Es ist das ehemalige Militärcamp Ritchie im US-amerikanischen Maryland, dem die “Ritchie Boys“ ihren Namen verdanken. Hier wurden sie während des Krieges ausgebildet, um nach der Landung der Alliierten in Europa nachrichtentechnische Dienste zu verrichten. Durch ihre Deutschkenntnisse waren sie dafür bestens geeignet. Darüber hinaus gehörten sie zu den ersten Einheiten, die mit psychologischer Kriegsführung arbeiteten. Sie verhörten deutsche Gefangene, sammelten Unterlagen für anstehende Kriegsverbrecherprozesse und deckten geheime Operationen in den eigenen Reihen auf. Teil der “Ritchie Boys“ waren prominente Namen wie der Kabarettist und Komponist Georg Kreisler oder die Schriftsteller Klaus Mann und Stefan Heym.

Nach dem Krieg waren die Ritchies als Übersetzer in den Nürnberger Prozessen oder beim Neuaufbau der Presselandschaft im deutschsprachigen Raum aktiv. Für Letzteren spielte der Schriftsteller Hans Habe eine entscheidende Rolle. Außerdem halfen ihre Informationen über SS- und Gestapo-Offiziere dabei, die Karrieren ehemaliger Täter nachhaltig zu beeinflussen. Welche Rolle spielten sie im Kalten Krieg, als Täter geschützt wurden? Sind die Ritchies auch an der Verschonung von NS-Verbrechern beteiligt?

Guy Stern, dessen gesamte Familie in den Gaskammern von Auschwitz ums Leben kam, emigrierte in den 1930er-Jahren in die USA und ließ sich dort zum Nachrichtenoffizier ausbilden. Später wurde er Professor für deutsche Literatur und erhielt in Deutschland zahlreiche Auszeichnungen. Sein 100. Geburtstag gibt Anlass zur Erinnerung.