Was lesen internetgeschädigte Millennials in ihrer Lockdown-Freizeit? Man hat den Eindruck: Die Essays von Jia Tolentino. Ihr Buch „Trick Mirror. Über das inszenierte Ich“ gehörte zu den beliebtesten Instagram-Foto-Motiven: Man sah das Buch hübsch arrangiert auf Bettdecken und vor Spiegeln, begeisterte Instagrammer haben es in Szene gesetzt. Eigentlich absurd: Denn drinnen stecken Texte, die sich eben sehr kritisch mit einer Zurschaustellung des Ich, und dem Verschwimmen der Grenzen zwischen dem Ich im Netz und dem Ich in der Welt auseinandersetzen. Und mit der Selbsttäuschung, die damit verknüpft ist. Die Texte sind zwar sehr amerikanisch, aber Tolentino macht aus erstmal banal wirkenden Alltagsbeobachtungen zu Sportkleidung oder einer Salatbar kritische und fundiert recherchierte Gegenwartsanalysen, die nicht nur Millennials den Spiegel vorhalten.
Rezension von Kristine Harthauer.
Aus dem Englischen von Margarita Ruppel
S. Fischer Verlag, 368 Seiten, 22 Euro
ISBN: 978-3-10-397056-2