Wer Schmerzen hat, kann sich aus einer großen Auswahl an Medikamenten Abhilfe suchen. Wie kommt eigentlich der Wirkstoff in diese kleinen Pillen?
Das eigentlich Spannende ist weniger, wie der Wirkstoff in kleine Pillen kommt, sondern wie so wenig Wirkstoff in zum Teil so große Tabletten kommt. Wenn du dir eine vergleichsweise große ASS-Tablette nimmst, sind da nur ein paar Milligramm Wirkstoff drin. Und das hat gewissermaßen eine lange Geschichte im Medizin- und Apothekenwesen.
Tatsächlich?
Früher ging es darum, Sachen, die man für medizinisch wirksam hielt, die aber absolut scheußlich schmeckten, gut zu verstecken. Deswegen sind Kräuterbonbons und -liköre auch meistens Erfindungen von geschäftstüchtigen Apothekern vergangener Jahrhunderte. Selbst die berüchtigte Coca Cola war das Werk eines Apothekers. Diese Verfahren nannte man nach dem antiken Mediziner Galenos von Pergamon Galenik. Inzwischen ist man von dieser Bezeichnung etwas abgekommen, aber das Prinzip ist eigentlich das gleiche geblieben: Du hast eine bestimmte Menge Wirkstoff, den du möglichst homogen mit verschiedenen Hilfsstoffen wie Stärke und Milchzucker so vermengst, dass eine pressfähige und gut einnehmbare Tablette entsteht. Oder im Falle von Flüssigmedikamenten ein gut dosierbares Medikament in Form von Tropfen oder Hustensaft. Dabei gibt es natürlich viele Sachen zu beachten, etwa sobald Wasser mit im Spiel ist. In Wasser werden manche Wirkstoffe instabil, sodass sie dann entweder gar nicht mehr wirken oder eben anders wirken würden. Zuweilen sind auch chemische Veränderungen an den Wirkstoffen selber vonnöten, damit sie stabil bleiben. Oder die Medikamente werden erst kurz vor der Nutzung mit Wasser angerührt.
Und warum müssen Tabletten nun so groß sein?
In meinen Heuschnupfentabletten sind gerade mal fünf Milligramm Wirkstoff. Hast du mal fünf Milligramm auf einer Waage gesehen? Das ist winzig, und es gibt ja Wirkstoffe, die noch geringer dosiert sind. Das wäre sehr ungünstig zu handhaben, und deswegen hat man das in diese Tablettenform gebracht. Früher wurden viele Medikamente auch als Pulver verabreicht. Selbst bei Schlafmitteln, die durchaus schon bei kleinen Überdosierungen echt gefährlich sind. Und genau das ist der Punkt – in der Tablette hast du eine genauere Dosierung. Manche Substanzen packt man auch in Tabletten mit Schutzüberzug, damit sie nicht im Magen zersetzt, sondern erst im Darm aufgenommen werden.
Was entscheidet eigentlich über die Form des Medikaments? Ob Pille, Creme oder Tropfen?
Das hat damit zu tun, ob man eine Wirkung auf den gesamten Körper anstrebt, etwa über den Blutkreislauf. Dann wird der Wirkstoff sinnvollerweise entweder über Tabletten oder Tropfen über den Verdauungstrakt aufgenommen. Gegebenenfalls auch als Spritze. Oder ob man möchte, dass es nur lokal wirksam wird, wie beispielsweise bestimmte Pilzmittel oder Cortison-Derivate, die man bei entzündlichen Krankheiten von Haut und Schleimhäuten einsetzt. Die setzt man wegen der Nebenwirkungen gerne nur lokal ein, zum Beispiel als Augentropfen, Hautcremes oder Spray. Die Wirkstoffforschung ist der eine Teil der medizinischen Forschung; die Art und Weise, wie dann der Wirkstoff für die optimale Wirkung in das Fertigarzneimittel verpackt wird, ist eine separate Wissenschaft, die durchaus nicht unwichtig ist. Ich habe irgendwann mal für eine Darmgeschichte Filmtabletten von einem anderen Hersteller bekommen – wirkstoffgleich, Größe, Form, selbst die Farbe war so ziemlich gleich. Aber irgendwie hatte ich den Eindruck, ich brauche davon das Doppelte, um die gleiche Wirkung zu haben. Da ist dann möglicherweise an der Rezeptur mit den Hilfsstoffen etwas anders gemacht worden, was der Verdauungstrakt offenbar auch anders aufgenommen hat.

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Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf dasnd.de/schmidt
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Folge vom 13.05.2023Wie kommt der Wirkstoff in Medikamente?
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Folge vom 06.05.2023Elon Musk und »TruthGPT«: Gibt es die absolute Wahrheit?Seit einiger Zeit begeistert und beunruhigt viele der KI-Chatbot »Chat GPT«. Elon Musk will nun in Konkurrenz dazu »Truth GPT« entwickeln lassen. Diese Künstliche Intelligenz soll nicht weniger als die absolute Wahrheit suchen. Geht das überhaupt? Da stoßen mir gleich mehrere Sachen auf: Einerseits das Grundproblem aller Künstlichen Intelligenzen, dass wir eigentlich bis heute keine allgemein akzeptierte Definition von Intelligenz haben. Dann natürlich die Frage nach dem Wahrheitsbegriff. Da sitzen Philosophen schon seit Jahrtausenden dran, mit eher mäßigem Erfolg. Der Marxismus-Leninismus hatte sich dann unter Berufung auf Lenin überlegt, dass es zwar eine absolute Wahrheit gäbe, wir uns der aber nur schrittweise über relative Wahrheiten annähern könnten. Alles ist höchstens die Interpretation eines Zustands. Und wenn sich die KI von Musk mit dem Universum beschäftigen will, klingt das nach exakter Wissenschaft. Da hat man ja – siehe Physik – noch einigermaßen klare Vorstellungen davon, wie Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden können. Das ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften schon umstrittener. Aber selbst bei der Astrophysik ist es nicht ganz so trivial. Wenn wir uns Theorien etwa über die Entstehung von Sternen ausdenken, lassen sich die experimentell schon nicht mehr so einfach überprüfen. Was also wäre das Wahrheitskriterium? Ich habe die ungute Befürchtung, es läuft auf die Wahrheiten hinaus, die man auch aus Diktaturen und Theokratien kennt. Wer die Macht hat, in dem Falle über diese KI, entscheidet dann, was die Wahrheit ist. Elon Musk kritisiert an »Chat GPT« insbesondere die Berücksichtigung politischer Korrektheit. Ist die nicht gerade ein Weg, lange fälschlicherweise als wahr geltende Aspekte wie Hierarchien und Ausbeutungsverhältnisse zu korrigieren? Mit der politischen Korrektheit ist das Problem: Sobald sie zum Dogma erhoben wird und dahinter Macht steht, wird auch die Korrektur von alten Ungerechtigkeiten leicht wieder zu einer neuen Ungerechtigkeit. Mit Algorithmen lässt sich dieses Problem nicht lösen. Und da kommt dann auch ein Problem dazu, das bei der Debatte über KI aus dem Blick gerät: Die menschliche Intelligenz verdankt viel der Tatsache, dass sie in einem Körper steckt, der mit der Umwelt in physische Wechselwirkung tritt. Ein Computersystem kann diese Welt nur indirekt verändern. Das Werkzeug dazu können natürlich Menschen sein, die glauben, dass diese Intelligenz bessere Ideen liefert als ihr eigener Kopf. Das haben wir schon in bestimmten bürokratischen Akten wie bei der Schufa, wo wir auch einem Algorithmus Macht über Menschen und deren Leben einräumen. Und da ist der unangenehme Punkt: Wenn jemand wie Elon Musk oder andere Superreiche Verantwortliche in Staat und Gesellschaft davon überzeugen, dass die KI-Ergebnisse nützlich sind, dann besteht die Gefahr, dass Dinge, die wir nur ansatzweise verstehen, Macht über unser Leben haben. Was können denn Sicherheitsstandards sein bei der Entwicklung von KI? Vielleicht, dass nicht nur Milliardäre da mitmischen dürfen? Das ist die spannende Frage, KI-Forschung ist schließlich teuer. Amerikaner und Deutsche verkörpern da im Schnitt diametral entgegengesetzte Positionen: Die Amerikaner glauben, dass es am schlimmsten wäre, wenn so was der Staat macht, weil der sie alle unterjochen würde. Europäer glauben eher – zumindest Deutsche –, dass es besser wäre, der Staat würde es machen, weil Milliardären nicht zu trauen ist. Beide Positionen haben gute Gründe. Der deutsche Staat hat mit viel Geld schon viel Schaden angerichtet in der Geschichte. Milliardäre desgleichen. Aber wenn du Innovationen blockierst, ist das auch tückisch. Unsere bisherige Geschichte ist vor allem die Geschichte von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Innovationen. Wir wären heute nicht da, wo wir sind, sowohl bei den schlechten als auch bei den guten Sachen, wenn das alles immer von irgendjemandem reguliert worden wäre.
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Folge vom 29.04.2023Warum stinkt es im Sommer mehr?Wenn ich im Sommer in der Stadt unterwegs bin, fällt mir auf, dass es deutlich mehr stinkt als zu anderen Jahreszeiten. Nach Essen, Abfällen, Urin. Woran liegt das? Da gibt es zwei Gründe, beide hängen mit der höheren Temperatur zusammen. Je höher die Temperatur ist, desto mehr bewegen sich auch kleine Moleküle zur Nase. Wenn du zum Beispiel ein Parfum auf einen Eisblock sprühen würdest, würdest du erst mal nicht viel davon riechen, außer das, was danebengegangen ist. Gerüche nehmen wir im Wesentlichen über kleine Moleküle wahr, die dann in die entsprechenden Riechrezeptoren in der Nase kommen. Die kommen da natürlich nur mit der Luft hin und bei Kälte bewegen die sich nicht so gut. Und der zweite Grund? Der zweite, mindestens genauso wichtige Grund ist, dass die meisten biochemischen Prozesse – Zersetzung zum Beispiel durch Bakterien – bei Wärme wesentlich besser funktionieren. Viele organische Abfälle in der Umwelt werden von Bakterien zersetzt und die Zersetzungsprodukte sind dann meistens das, was so übel riecht. Etwa schwefelhaltige organische Substanzen oder stickstoffhaltige. Der berüchtigte Fischgeruch hängt meistens mit sogenannten Aminen zusammen, organischen Verbindungen, wo ein NH2-Rest dranhängt, so etwas ähnliches wie Ammoniak. Und dann gibt es Ammoniak selber auch als Zersetzungsprodukt – wahrscheinlich nicht selten bei Urin. Das sind oft sehr stechende und unangenehme Gerüche. Das bekannteste sehr kleine Molekül, das übel riecht, wo wir schon einige Moleküle gut wahrnehmen, ist Schwefelwasserstoff: der berühmt-berüchtigte Faule-Eier-Geruch. Ich habe mal gehört, dass Leute, die einmal den Tod gerochen haben, diesen wohl spezifischen Geruch wiedererkennen können, etwa wenn sie an einem toten Vogel vorbeilaufen. Kann das sein? Das habe ich noch nicht gehört. Ich kann mir das auch nicht gut vorstellen, obwohl ich eigentlich für Sachen, die ich nicht leiden kann, eine feine Nase habe. Meine Erfahrungen mit dem Geruch von Tod liegen lange zurück und sind begrenzt auf ein paar Tiere: Irgendwann musste ich mal eine tote Katze aus dem Keller entfernen. Das hing mir noch lange in der Nase. Aber ich glaube nicht, dass ich deswegen leichter einen toten Vogel auf der Straße erspürt hätte. Und dann war mal vor sehr langer Zeit beim »nd« eine tote Maus hinter dem Kühlschrank. Da habe ich erst lange gedacht, irgendwie riecht das hier komisch, bis ich dann den Kühlschrank weggerückt hatte und dann war die Sache klar. Zurück zu den Gerüchen in der Stadt. Natürlich findet im Sommer mehr Leben draußen statt. Spielt das auch eine Rolle? Was Essensgerüche angeht, ganz sicher. Picknicks und Grill-Abende macht man ja nicht unbedingt im Winter. Aber all die anderen Sachen, die hängen eben auch mit der Biochemie zusammen und mit der Art und Weise, wie wir Gerüche aufnehmen. Sollte ich dann meinen Bio-Müll zur warmen Jahreszeit lieber draußen auf dem Balkon abstellen als unter der Spüle? Das hängt davon ab, wie lange es bei dir immer dauert, bis du ihn leeren musst. Bei uns steht der drinnen und riecht auch in der Regel nicht. Es sei denn, es sind mal Fleischreste drin, dann werden sie sofort weggebracht. Fleisch fängt schnell an, sehr unangenehm zu riechen. Selbst die Verpackungen von Fisch- oder Fleisch-Produkten für die Gelbe Tonne kann man nicht lange liegen lassen. Es gibt auch Würmerkisten, in die man den Bio-Abfall reinwerfen kann, und das wird dann kompostiert. Am Ende hat man frische Erde in der Kiste. Wobei ich jetzt nicht weiß, ob man diese Kisten innen aufstellt oder draußen. Wahrscheinlich im Winter besser nicht draußen wegen der Kälte. Und mit den Würmern und überhaupt dem kleineren Kriechzeug habe ich auch so meine Schwierigkeiten.