Je länger der Gaza-Krieg andauert, umso grösser die Gefahr, dass er sich zum Nahost-Krieg ausweitet. Ob es so weit kommt, wird sich im libanesisch-israelischen Grenzgebiet zeigen. Seit drei Monaten liefern sich die israelische Armee und die schiitische Miliz Hisbollah dort Gefechte. Die Reportage.
Die Fahrt vom Checkpoint quer durch die Pufferzone bis zur libanesisch-israelischen Demarkationslinie führt über Serpentinen hinauf auf karge, steinige Hochebenen, vorbei an leeren Dörfern und Höfen. Wie ausgestorben liegen sie da. Es ist spärlich bewachsenes Hügelland, über das Hirten mit ihren Schafherden ziehen. Wäre es nicht der Südlibanon, es wäre eine Idylle.
«Eigentlich könnten wir hier ganz gut leben», sagt der Schafhirt Ibrahim. Doch die Gegend ist zu gefährlich geworden. Erst kürzlich wurden zwei Hirten auf dem Feld von einer Granate getötet.
Ibrahim wird wegziehen zu Verwandten in die etwas entfernte Bekaa-Ebene. Rund fünfzigtausend Menschen haben das umkämpfte Grenzgebiet mittlerweile verlassen und im sichereren Hinterland Zuflucht gefunden. «Wir haben mit diesem Krieg nichts zu tun», sagt Ibrahim. «Wir wollen einfach nur leben». Doch die Miliz Hisbollah («Partei Gottes») hat in der Gegend ihre Stellungen. Und sie will mit einem Kleinkrieg über die Grenze gegen Israel Solidarität mit der Hamas demonstrieren.
Die Hisbollah wurde in den Achtzigerjahren im libanesischen Bürgerkrieg von den iranischen Revolution-Garden gegründet, stark wurde sie im Guerillakampf gegen die einstige israelische Besatzung des Südlibanons. Seither präsentiert sie sich als die Beschützerin der schiitischen Minderheit im Libanon, zugleich als Vorkämpferin für die palästinensische Sache. Sie verfügt wohl über mehr als einhunderttausend Raketen, darunter weitreichende und präzise, gegen die – in Schwärmen verschossen - auch Israels «Iron Dome»-Schutzschild wenig ausrichten könnte. Kampferfahren und diszipliniert, wäre die Hisbollah im Ernstfall für Israel ein hochgefährlicher Gegner.
Die Mehrheit der Libanesinnen und Libanesen lebt schon seit Jahren in einem Zustand permanenter Unsicherheit und Bedrohung, nun kommt noch die Kriegsangst dazu.
«Wir sind wie ausgeliefert», sagt auch Leila in ihrem Lebensmittelgeschäft im Westen der Hauptstadt Beirut. «Hier kann dir alles passieren».