Spinnenseide, Muschelschalen, Haifischzahn und Lotusblatt: Werkstoffinspirationen aus der Natur.
Der Physiker und Materialwissenschafter Peter Fratzl spricht diese Woche über Biomaterialien. (Er ist Direktor des Max Planck Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam.)
Hinweis: eine bearbeitete Version dieses Interviews wurde im Rahmen der ORF Österreich 1 Radiosendung “Vom Leben der Natur” im November 2021 in fünf Teilen ausgestrahlt.
Wandelbare Eigenschaften
Teures Hirn auf schlauen Beinen
Natur ohne Räder
Zähne am Fließband
Wunderwerkstoff Collagen
Biomaterialien sind Materialien “aus, für und durch die Natur”. Es sind jene Werkstoffe, aus denen Pflanzen und Lebewesen bestehen: Holz, Gras, Wolle, Haare, Panzer – aus Zellulose, Chitin und Proteinen. Es sind aber auch jene Werkstoffe, aus denen zum Beispiel Prothesen – für Lebewesen – bestehen, Keramik, Gold oder Platin. Und es sind Materialien, die von der Natur inspiriert sind: Oberflächen von Schmetterlingen, die schillernde Farben haben, die Oberfläche des Lotusblattes, das Wasser perfekt abperlen lässt, die Zähnen von Tieren mit hohen mineralischen Anteilen.
Die Natur passt sich auf dem Weg der Evolution an die Umweltbedingungen an, ist nie perfekt, sondern immer nur so gut wie nötig, damit bei Änderungen der Umweltbedingungen noch immer genug Eigenschaften vorhanden sind, die anders wo hin passen. Die Natur kann hervorragend mit limitierten Ressourcen auszukommen. Es gibt Biomaterialien, die zwar aus dem gleichen Material bestehen, aber durch ihre unterschiedliche Struktur ganz verschiedene Eigenschaften haben. Diese Materialien können aber auch Informationen verarbeiten. Sie leiten etwas Schwingungen gefiltert weiter, damit das Gehirn nicht überlastet wird, das sich sonst mit zu vielen – meist uninteressanten – Schwingungen beschäftigen müsste. Eine selektive Weiterleitung erfolgt durch die Wahl der passenden Materialien. Die falschen Schwingungen kommen gar nicht erst an.
Es ist lohnend, die Zusammenhänge zwischen der Struktur und den physikalischen Eigenschaften von biologischen und bioinspirierten Verbundwerkstoffen zu erforschen, um selbst effizientere und bessere technologische Werkstücke herstellen zu können.