Wenigstens darauf kann man sich noch einigen in Deutschland: Dass wir zu
wenig miteinander streiten. Oder zu viel. Auf jeden Fall streiten wir
nicht im richtigen Maß miteinander – und schon gar nicht auf die
richtige Weise. Mit dieser Diagnose jedenfalls warten gleich zwei
aktuelle Sachbücher auf, "Streiten" von Svenja Flaßpöhler sowie "Defekte
Debatten" von Julia Reuschenbach und Korbinian Frenzel.
Echter Streit, das betont die Philosophin Flaßpöhler, kann wehtun, er
muss es vielleicht sogar – sowohl der private Familienstreit, der so oft
an den Festtagen ausbricht, als auch der politische Streit über Corona,
Ukraine, Migration. Flaßpöhler glaubt: Anders als eine abstrakte
Debatte, bei der jeder immerzu versucht, alle Argumente auch aus der
Perspektive seines Gegenübers zu verstehen, ist man im Streit
parteiisch. Man will seinen Gegner schlagen. Gefährlich wird es dann,
wenn aus Gegnern Feinde werden, die man nicht nur schlagen, sondern
vernichten will. Zwischen zu gemütlicher Proseminaratmosphäre und dem
drohenden Bürgerkrieg liegt die richtige Streitzone, die eine
funktionierende Demokratie braucht.
Aber was will man eigentlich, wenn man streitet – mit seinem Partner, in
der Wissenschaft, in der Politik? Will man herausfinden, was stimmt?
Oder will man bloß recht behalten? Hilft uns Habermas weiter, wenn wir
uns im Dissens verbissen haben? Rettet uns am Ende der berühmte
"zwanglose Zwang des besseren Arguments"? Oder führt der blinde Glaube
an solche edle Diskursethik erst dazu, dass wir uns so gar nicht mehr
verstehen?
Im Feuilletonpodcast streiten Ijoma Mangold und Lars Weisbrod diesmal
über den Streit – und verabschieden sich danach in die Weihnachtspause.
Am 13. Januar erscheint die nächste Folge "Die sogenannte Gegenwart".
Das Thema beginnt ungefähr bei 18:12.
Weitere Links zur Folge gibt es hier auf ZEIT ONLINE.
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