ndAktuell-Logo

Nachrichten

ndAktuell

Unsere exklusiven Podcast-Formate sind für alle, die unterwegs oder zuhause Nachrichten und Themen aus linker Perspektive brauchen. Hier findet ihr in loser Folge Audio-Beiträge unserer Redakteur*innen. Alle nd.Podcasts zum Nachhören auf dasnd.de/podcast

Jetzt anhören
  • im Online-Player
  • im phonostar-Player
  • Was ist das?
    Radio hören mit phonostar Help layer phonostarplayer Um Radio anzuhören, stehen dir bei phonostar zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder hörst du mit dem Online-Player direkt in deinem Browser, oder du nutzt den phonostar-Player. Der phonostar-Player ist eine kostenlose Software für PC und Mac, mit der du Radio unabhängig von deinem Browser finden, hören und sogar aufnehmen kannst. ›››› phonostar-Player gratis herunterladen X

Folgen von ndAktuell

19 Folgen
  • Folge vom 30.06.2020
    Black Lives Matter: Ein Kampf für jeden Tag
    In Berlin versammelten sich am vergangenen Samstag (27.06.20) rund 1.500 Menschen zum Black Lives Matter Protest vor der Siegessäule. Es ging darum erneut die Aufmerksamkeit darauf zu legen, welchem Rassismus Schwarze Menschen in Deutschland tagtäglich ausgesetzt sind und, dass der Status Quo unakzeptabel sei, sagte Veranstalter Romeo Hermann. Die Organisationsgruppe aus Afroamerikaner*innen, Migrant*innen und Afrikaner*innen, die in Deutschland leben, sowie Afrodeutschen fand sich vor einigen Wochen zusammen und organisierte die Demonstration über eine Facebookveranstaltung. Die Veranstaltenden legten ganz besonderen Wert auf die Einhaltung des notwendigen Corona-Abstandes und markierten Standplätze so, dass sich die Demonstrierenden auf der ganzen Straße des 17. Juni verteilten. Marie Hecht stellt in ihrem Audiobeitrag für ndAktuell die Frage, was Black Lives Matter in Deutschland bedeutet. Dafür sprach sie mit dem politischen Bildungstrainer, Aktivist und Journalist Adam Baher und fing das Geschehen des Black Lives Matter Protest vor Ort ein, auf dem auch Berênïcé Henke sprach, die vor einigen Wochen einen rassistischen Angriff in einer Rossmann Filiale erlebte. Bereits vor drei Wochen (06.06.20) waren 15.000 Menschen aus Protest gegen Rassismus, rassistische Polizeigewalt und in Gedenken an den Schwarzen US-Amerikaner George Floyd, der von einem weißen Polizisten ermordet wurde, in Berlin auf die Straße gegangen. Nach der letzten Demonstration auf dem Alexanderplatz wurden junge Schwarze Menschen und Menschen of Color von der Berliner Polizei festgenommen und erfuhren dabei genau die Gewalt, gegen die sie kurz vorher demonstriert hatten. In einer Stellungnahme des Linken Block der Silent Demo vom 10. Juni bezüglich rassistischer Polizeigewalt hieß es dazu: »Laut Medienberichten ist von 93 Verhaftungen die Rede. Doch für mindestens zwei Schwarze Teilnehmer*innen endete die Demonstration nach polizeilichen Übergriffen sogar im Krankenhaus. Von den Inhaftierten – teils Minderjährigen – wurden einige erst weit nach 24 Uhr entlassen. […] Da viele von uns selbst vor Ort waren und bis zum jetzigen Augenblick Zeug*innen-Berichte & Video Material zu den einzelnen Fällen zusammentragen und auswerten, besteht für uns kein Zweifel daran, dass diese polizeilichen Gewaltexzesse, Schikanen und Bedrohungen von jugendlichen Demonstrant*innen von einem rassistischen Klima geprägt sind.«
    Jetzt anhören
    • im Online-Player
    • im phonostar-Player
    • Was ist das?
      Radio hören mit phonostar Help layer phonostarplayer Um Radio anzuhören, stehen dir bei phonostar zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder hörst du mit dem Online-Player direkt in deinem Browser, oder du nutzt den phonostar-Player. Der phonostar-Player ist eine kostenlose Software für PC und Mac, mit der du Radio unabhängig von deinem Browser finden, hören und sogar aufnehmen kannst. ›››› phonostar-Player gratis herunterladen X
  • Folge vom 22.06.2020
    Regnerisches Comeback
    Trotz Dauerregen haben sich über tausend Berliner am bundesweiten Mietprotest beteiligt. Unter dem Motto »Shut down Mietenwahnsinn – Sicheres Zuhause für alle!« demonstrierten sie am Samstag auf der Potsdamer Straße gegen Verdrängung und zu hohe Mieten. Demonstrationen fanden zeitgleich auch in zahlreichen anderen Städten statt. Aufgerufen hatte das Mietenwahnsinn-Bündnis, das sich aus verschiedenen wohnungspolitischen Iniativen zusammensetzt. Die Demonstration ist die erste des Bündnisses nach dem Corona-bedingt Lockdown. Ursprünglich war für Ende März gemeinsam mit Partnern aus verschiedenen Ländern ein europaweiter »Housing Action Day« geplant, der wegen der Pandemie ausfallen musste. Nun will sich das Bündnis wieder warm laufen für kommende Proteste. Denn - da sind sich die Teilnehmer bei der Demonstration am Samstag einig - in Berlin gäbe es noch viel zu tun. So würde auch der Mietendeckel in seiner jetzigen Form nicht ausreichen, wie Kim Meyer vom Bündnis erklärt. »Vermieter haben viele Möglichkeiten den Mietendeckel zu umgehen«, sagt er. Häufige Praxis bei Neuvermietungen ist es mittlerweile, neben der gedeckelten Miete eine vertraglich höhere, sogenannte Schattenmiete, zu vereinbaren. Ein Blick auf Immobilienportale zeigt, dass diese teilweise um ein dreifaches höher liegen als die gesetzliche konforme Miete. Im Fall, dass der Mietendeckel vor Gericht kassiert wird, sollen Mieter die Differenz dann nachzahlen. »Alle Gesetzeslücken beim Mietendeckel müssen geschlossen werden«, fordert Meyer deshalb. Mit dem Inkrafttreten des Mietendeckels ist auch die Angst größer geworden, dass Mietshäuser wegen der fehlenden Redite in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden könnten. In Neukölln könne man diese Umwandlung bereits beobachten, meint Anja von der Akelius-Mietervereinigung, die ihren vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. »Im Schillerkiez liegen für den Großteil der Akelius-Wohnungen bereits Abgeschlossenheitsbescheinigungen vor«, sagt sie. Diese sind Vorraussetzung für eine Umwandlung. Anja erklärt, dass Akelius durch den Verkauf von Eigentumswohnungen seinen Wohnungsanteil in Berlin von 30 auf 15 Prozent reduzieren wolle. Auch wären in den letzten Jahren die Bewohner der Häuser mit Neumietern ausgetauscht worden, die zahlungskräftig genug seien, die umgewandelten Wohnungen zu kaufen. Der Mietendeckel sei für Akelius allerdings nur Vorwand, meint sie. »Die meisten der Bescheinigungen lagen schon 2016 vor. Dass Wohnungen grundsätzlich nach 10 bis 20 Jahren abgestoßen werden, ist Teil des Geschäfts bei Akelius«, sagt Anja. Mögliche Umwandlungen beschäftigen gerade Mieter berlinweit. Sowohl die Bewohner in Moabit und Wedding, deren Häuser von der Skjerven-Gruppe gekauft worden, als auch die Mieter in den neuen Immobilien der Deutschen Wohnen sorgen sich. Zwar sagen beide Unternehmen, dass eine Umwandlung nicht verfolgt wird, doch die organisierten Hausgemeinschaften protestieren auch am Samstag wieder gegen die neuen Eigentümer. Lorena Jonas, Sprecherin von »23 Häuser sagen Nein!« meint: »Wir sind vermutlich noch ein gutes Stück davon entfernt, dass die Häuser denen gehören, die drin wohnen. Aber den Zwischenschritt können wir gehen.« Im Eiltempo hat sie sich mit anderen Mietern aus den 23 von der Deutschen Wohnen gekauften Häusern vernetzt. Zusammen kämpfen sie nun zumindest für den Zwischenschritt: Der Bezirk soll mittels Vorkaufsrecht ihre Häuser von einem gemeinwohlorientierten Dritten kaufen lassen. Diese Option besteht zwar für gut die Hälfte der 23 Häuser, die in Kreuzberger Milieuschutzgebieten liegen. Doch beispielsweise für das Haus in der Potsdamer Straße 169 am Ende der Demoroute ist das nicht möglich. Vom Lautsprecherwagen aus erklärt Jonas deshalb ganz Berlin zum Milieuschutzgebiet. Gleich gegenüber der Potsdamer Straße 169 hat auch noch die »Potse« ihre Anschrift. Am 08. Juli wird über die Räumung des selbstverwalteten Jugendzentrums entschieden. Dann könnte die »Potse« das Schicksal des bis Ende 2018 dort ansässigen Jugendzentrums »Drugstore« teilen und ebenfalls die Räume verlieren. Jasmin vom Potse-Kollektiv kritisiert auf der Abschlusskundgebung, dass seit 2015 weder Bezirk noch Land sich ernsthaft um geeignete Alternativen gekümmert hätten. Anstelle des Drugstore ist mittlerweile die »Berlin School of Business and Innovation« in die Räume gezogen. Jasmin meint: »Daran sieht man, dass es in Berlin mittlerweile vor allem um kapitalistische Interessen geht, während die Menschen, die die Stadt attraktiv gemacht haben, es sich hier nicht mehr leisten können.«
    Jetzt anhören
    • im Online-Player
    • im phonostar-Player
    • Was ist das?
      Radio hören mit phonostar Help layer phonostarplayer Um Radio anzuhören, stehen dir bei phonostar zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder hörst du mit dem Online-Player direkt in deinem Browser, oder du nutzt den phonostar-Player. Der phonostar-Player ist eine kostenlose Software für PC und Mac, mit der du Radio unabhängig von deinem Browser finden, hören und sogar aufnehmen kannst. ›››› phonostar-Player gratis herunterladen X
  • Folge vom 19.06.2020
    Wir müssen reden
    Genossinnen und Genossen, liebe deutsche Linke: Wir müssen reden. Und zwar über die Rolle der deutschen Industriegewerkschaften - allen voran der IG BCE und der IG Metall - im Kampf für globale Klimagerechtigkeit. Ihr wisst es, das Zeitfenster, globales Klimachaos und damit den drohenden »Zusammenbruch der Zivilisation« abzuwenden, wird immer kleiner. Um eine klimagerechte Welt zu erkämpfen, muss vor allem der reiche globale Norden in Vorleistung gehen und in absoluten Zahlen deutlich weniger produzieren. In Deutschland heißt das vor allem: früh aus der Kohle aussteigen, deutlich weniger betrügerische Dreckschleudern (Autos) produzieren. In den letzten Jahren ist eine Reihe progressiver sozialer Bewegungen entstanden, die diese Kämpfe vorantreiben. Zum Beispiel die Anti-Kohle- und Klimagerechtigkeitsbewegung. Oder die Anti-Auto- und Pro-Verkehrswende-Bewegung. Beide Kämpfe, für den Kohleausstieg und gegen die Autogesellschaft, sind zwar einerseits globale Gerechtigkeitskämpfe. Sie rufen aber andererseits den harten Widerstand genau der Akteure hervor, die in der Geschichte der gesellschaftlichen Linken bisher (mit Ausnahme einer kurzen Zeit nach 1968) üblicherweise mit Fortschritten im Kampf um Gerechtigkeit verbunden wurden: der großen Gewerkschaften, die in diesen Sektoren organisieren. Erstes Beispiel: Trotz breiter gesellschaftlicher Akzeptanz eines schnellen Kohleausstieg, der die Pariser Klimaziele einhalten würde, lieferte die von der Regierung eingesetzte Kohlekommission einen Vorschlag ab, nachdem eines der reichsten Länder der Welt erst 2038 aus der Braunkohle, dem dreckigsten aller fossilen Brennstoffe, aussteigen würde. Stimmen aus der Kommission selbst, von der Umweltseite, bestätigten hinterher den Eindruck, der sich auf den Straßen und in den Gruben des Rheinlands und der Lausitz schon erhärtet hatte: Der schärfste Widerstand gegen den Kohleausstieg kam nicht vom fossilen Kapital im engeren Sinne, also von Eon, RWE und Vattenfall (später EPH), sondern von den Kolleginnen und Kollegen der IG BCE, angeführt vom brillianten Politstrategen Michael Vassiliadis. Während Eon und RWE ihr mobiles Kapital verschieben und ihr festes abschreiben könn(t)en, lassen sich Arbeiter*innenexistenzen nicht einfach so von Jänschwalde nach Rostock verlagern. Zweites Beispiel: die coronabedingte Abfuck-, entschuldigung, Abwrackprämie, deren Verhinderung bis vor kurzem im Autoland Deutschland noch sehr unwahrscheinlich erschien. Jedoch waren es Saskia Esken und die neue SPD-Spitze, die das Land überraschten und eine Abwrackprämie für Verbrennungsmotoren verhindern konnten. Um das »nd« zu zitieren: »Selbst die Vertreter der Autoindustrie sprachen von einem guten Kompromiss. Eigentlich waren fast alle zufrieden - nur eine Gruppe kritisierte die Einigung scharf: Betriebsräte aus der Autoindustrie und die IG Metall.« Das Verhältnis zwischen sozial-ökologischen Transformationsbewegungen einerseits und Industriegewerkschaften andererseits ist also von Spannung, gar von taktischer Feindschaft geprägt. Das aber ist für Linke (egal, ob Bewegungs- oder Parteilinke) keine einfache Situation, waren es doch in der Vergangenheit - zum Beispiel bei den Protesten gegen Hartz IV - oft die großen Gewerkschaften, die an vorderster Front für Gerechtigkeit und Emanzipation gekämpft haben: Wochenende, Krankenvorsorge, Arbeitslosengeld ... All dies gäbe es nicht ohne Gewerkschaften. Was wiederum bedeutet: Wir müssen reden. Wir müssen die schwierige Debatte darüber beginnen, warum die Industriegewerkschaften in den letzten Jahrzehnten zu jenen gehört haben, die aktiv sozialökologische Transformationen in Schwerindustrieregionen verhindert oder zumindest verzögert haben und wie damit in Zukunft umzugehen ist. Wir müssen darüber reden, warum es in abgehängten früheren Industrieregionen eine so hohe Affinität zu rechten Positionen gibt; ob und wie das zu ändern ist. Ich bin mir bewusst, dass eine Kolumne eigentlich dazu da ist, einen Standpunkt zu artikulieren - diesmal will ich aber, für mich durchaus ungewöhnlich, einfach eine Frage stellen: Wie ist das Verhältnis zwischen Klimagerechtigkeitsbewegung einerseits und Gewerkschaftsbewegung andererseits? Bei möglichen Antworten gilt wie immer: Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern. Die Debatte ist eröffnet.
    Jetzt anhören
    • im Online-Player
    • im phonostar-Player
    • Was ist das?
      Radio hören mit phonostar Help layer phonostarplayer Um Radio anzuhören, stehen dir bei phonostar zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder hörst du mit dem Online-Player direkt in deinem Browser, oder du nutzt den phonostar-Player. Der phonostar-Player ist eine kostenlose Software für PC und Mac, mit der du Radio unabhängig von deinem Browser finden, hören und sogar aufnehmen kannst. ›››› phonostar-Player gratis herunterladen X
  • Folge vom 18.06.2020
    Der Krise nicht ausgeliefert
    Viele Menschen erleben gerade eine noch nie dagewesene Zeit der Verunsicherung. Was macht die Coronakrise mit unserer Psyche? Wir Psychiater sehen zurzeit ganz unterschiedliche Ängste: die Angst sich mit dem Virus zu infizieren, gefolgt von der größer werdenden Angst, existenziell nicht mehr über die Runden zu kommen. Diese Ängste werden manchmal besonders groß, weil das Corona-Virus in der Vorstellung etwas sehr Abstraktes ist und es für den Einzelnen auch nicht leicht zu bewerten ist, was es konkret für einen bedeutet. Dann befeuert die Dauerpräsenz des Themas die Angst noch einmal - das kann uns psychisch außerordentlich belasten. Kann uns das depressiv, also krank machen? Grundsätzlich sehe ich, dass die Menschen gestresster sind. Man kann eine Art »emotionale Aktivierung« in der Bevölkerung feststellen. Für diejenigen, die ohnehin leichter verunsicherbar sind oder vielleicht auch schon eine vorbestehende psychische Erkrankung haben, ist die gegenwärtige Situation besonders belastend. Durch den besonderen Stress kann sie auch eine psychische Störung zur Folge haben. Aber Stress macht nicht immer krank… Stress ist etwas, was ganz natürlich zunächst einmal zu unserem Leben gehört. Und auch erst mal nicht schädlich ist. Problematisch für unsere Gesundheit ist der chronische Stress - der Dauerstress. Vor allem, wenn wir das Gefühl haben, ihn nicht kontrollieren zu können. Und das kann im Kontext von Arbeit oder Familie auftreten, genauso aber auch mit der aktuellen Pandemie. Die bedeutet im Moment für jeden Menschen in Deutschland, in Europa und auf der Welt, massive Veränderungen des Alltags, der Routinen und auch der Dinge, die wir so tun, um uns von Stress und Belastungen zu erholen. Das ist eine chronische Stresssituation und deswegen auch eine Situation, die psychisch belastend ist. Gibt es Menschen, die besonders unter der aktuellen Lage leiden? Es gibt Menschen, die vulnerabler sind. Die Gründe können in der eigenen Persönlichkeit liegen: Wer zum Beispiel zu mehr Ängstlichkeit neigt oder die Dinge stets unter Kontrolle behalten muss, der hat es im Moment besonders schwer. Aber auch Armut ist ein Risikofaktor unter größeren Stress zu geraten. Und Frauen sind im Moment belasteter, weil die Organisation der Familie oder das Homeschooling häufiger von ihnen bewerkstelligt wird. Der Spagat zwischen Beruf und Familie ist ohnehin schon schwierig und dass plötzlich alles unter einem Dach stattfindet, wird für manche zu einer enormen Belastung. Insofern ist die Stresslast überhaupt nicht gleich verteilt. Zu Beginn der Krise wurde vielfach von »Social Distancing« gesprochen. Hätten man besser von »Physical Distancing« reden sollen? Ja, ganz eindeutig. Der Begriff »Social Distancing« wurde gleich zu Anfang der Pandemie kritisiert - zu Recht. Gerade jetzt geht es ja darum, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten oder wenn es geht zu intensivieren. Wir sind soziale Wesen und die Nähe zu anderen und soziale Unterstützung und Verbundenheit sind elementare menschliche Bedürfnisse. Vielen wird es im Moment erst schmerzlich klar, wie wichtig diese Verbindungen zwischen uns sind. Bei 90 Prozent der Suizidfälle in Deutschland gehen Erkrankungen wie Depression, Angsterkrankungen oder auch Suchtprobleme voraus. Sehen Sie die Gefahr eines Anstiegs an Suiziden im Zuge der Coronakrise? Das ist etwas, das wir Psychiater mit großer Aufmerksamkeit und auch mit Sorge beobachten. Wir sehen, wie die psychische Belastung in der Bevölkerung wächst und dass Menschen sich schwerertun nach Hilfe zu suchen, als in Normalzeiten. Menschen bleiben eher zuhause, das gilt übrigens nicht nur für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Auch Menschen mit Herzinfarkt und Schlaganfällen bleiben leider häufiger zuhause, wie wir aus den Rettungsstellen wissen. Bei der Depression ist das deswegen besonders gefährlich, weil es eben ein Suizidrisiko gibt. Die Entwicklung lässt sich im Moment noch nicht ganz absehen, aber die Befürchtung gibt es zumindest. Der Rechtsmediziner der Charité Berlin, Michael Tsokos, sprach im RBB von »Corona-Suiziden«. Wie ordnen Sie seine Diagnose »Selbsttötung aus Angst vor dem Leben in Zeiten von Corona« ein? Wir wissen bei diesen acht Suizidfällen nicht, wie die psychische Gesundheitssituation dieser Menschen war. Aber man kann sich theoretisch vorstellen, dass die momentane Krisensituation ein vorher schon gefülltes Fass zum Überlaufen gebracht hat. Dass zu einer psychisch labilen Situation zusätzlicher Stress kam und dann eine Erkrankung ausgebrochen ist, die in diesen Fällen tragischerweise einen Suizid zur Folge hatte. Gerade wenn sich Depression und Angst mischen, ist das problematisch. Welche Maßnahmen zur Suizid-Prävention und zur Unterstützung der seelischen Gesundheit sind nötig? Es ist wichtig ganz deutlich zu machen, dass Hilfestrukturen da sind! Manche Menschen scheuen sich im Moment nach Hilfe zu suchen oder, aus Angst vor Ansteckung, in eine Klinik oder zum Arzt zu gehen. Für so eine Angst besteht aber kein Anlass. Wer sich psychisch belastet fühlt, für den gibt es viele Hilfsangebote im psychiatrischen und psychotherapeutischen Hilfesystem und all diese Türen stehen offen! Dazu gehören Arztpraxen, Rettungsstellen, Kliniken; Krisendienste und Sorgentelefone - all diese Strukturen sind intakt und stehen bereit. Was sind Tipps für diejenigen, die sich psychisch entlasten wollen? Es hilft, sich klar zu machen, dass die aktuelle Situation einfach für Angst und Verunsicherung sorgen kann, dass es also normal ist, Angst zu verspüren. Wer das akzeptiert, schafft schon Distanz zwischen sich selbst und einer überstarken Angst. Wenn man hingegen dauernd versucht, Gefühle zu unterdrücken, werden diese meist noch stärker. Eine wirksame Entlastung kann es außerdem sein, sich mit anderen zu verständigen, über Sorgen auszutauschen und dadurch einen Perspektivwechsel zu erreichen. Es hilft auch sich klar zu machen, dass es sich bei dieser Krise um eine vorübergehende Situation handelt. Wir sind ihr nicht ausgeliefert. Die Coronakrise geht vorbei, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Sollten für den Konsum von Nachrichten auch Hygieneregeln gelten? Das halte ich für wichtig. Wer Angst hat versucht, Kontrolle zu erlangen. Zu diesem Kontrollverhalten gehört es, Nachrichtenportale zu beobachten oder sich - wenn es schlecht läuft - auch bei dubiosen Quellen zu informieren. Und deswegen ist ganz wichtig: Wer merkt, dass er ständig den Drang hat pandemiebezogene Nachrichten zu verfolgen, sollte die Dosis kontrollieren. Sich einmal pro Tag zu informieren und Nachrichten zu checken ist ausreichend. Wäre aus psychologischer Sicht die baldige Rückkehr zur Normalität ratsam? Was ich dieser Tage auch sehr viel erlebe, ist Verunsicherung angesichts der Lockerungen. Manche haben Angst, dass die Lockerungen zu weit oder zu schnell gehen. Zum Beispiel weil die Menschen draußen eben nicht mehr so auf Abstand achten oder weil es betriebsamer wird auf den Straßen. Das empfinden manche als bedrohlich. Insofern ist das auch eine neue Welle von Verunsicherung, die seit einigen Tagen da ist. Sind Menschen misstrauischer geworden? Wenn man andere Menschen als potenzielles Risiko für einen selbst betrachtet und als mögliche Infektionsquelle ansieht, dann sorgt das natürlich auch für ein gewisses Misstrauen. Und Gesichter, die hinter Mund-Nasen-Schutzmasken stecken, eignen sich leider auch nicht dafür, besonders viel Vertrauen hervorzurufen. Gleichzeitig haben die Pandemie und die darauffolgenden Regelungen auch viel Solidarität zwischen den Menschen wachgerufen. Es kommt jetzt darauf an, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Wir müssen uns klar machen, dass wir der Krise nicht als Opfer ausgeliefert sind, sondern, dass jeder Einzelne zu ihrer Lösung beitragen kann. Das machen wir schon alleine, in dem wir uns an die Hygienevorschriften halten. Hilfsangebote: Berliner Krisendienst: 030 39063-10/-20/-30...-90 Telefonseelsorge: 0800/111 0 -111/-222 Muslimisches Seelsorgetelefon: 030 443 509 821
    Jetzt anhören
    • im Online-Player
    • im phonostar-Player
    • Was ist das?
      Radio hören mit phonostar Help layer phonostarplayer Um Radio anzuhören, stehen dir bei phonostar zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder hörst du mit dem Online-Player direkt in deinem Browser, oder du nutzt den phonostar-Player. Der phonostar-Player ist eine kostenlose Software für PC und Mac, mit der du Radio unabhängig von deinem Browser finden, hören und sogar aufnehmen kannst. ›››› phonostar-Player gratis herunterladen X