Romano Guardini veröffentlichte 1951 unter dem Titel „Die Macht – Versuch einer Wegweisung“ eine Denkschrift, die auffällig viele Bezüge zu unserer Gegenwart aufweist – in Europa und weltweit. Bisher für stabil gehaltene soziale Systeme scheinen plötzlich zu erodieren. Autokraten bemächtigen sich immer häufiger offener Zivilgesellschaften. Aber auch die Mächtigen fühlen sich zunehmend vereinnahmt von ihrer eigenen Machtfülle.
„Die Familie verliert ihre gliedernde und ordnende Funktion“, resümiert Guardini, „die neuen Städte gleichen einander immer mehr, ob sie nun in Europa oder in China, in Nordamerika, Russland oder Südamerika entstehen.“ Von dieser Nivellierung ausgehend bildet sich ein neuer Typus Mensch heraus, „der aus dem Augenblick lebt, einen beängstigenden Charakter beliebiger Vertretbarkeit bekommt und dem Zugriff der Macht bereitsteht.“
Die Rückbesinnung auf die transzendente Dimension kann eine Wegweisung sein. Die Beziehung zu Gott öffnet dem Menschen einen Freiraum, der ihn vor dem Zugriff der Macht wappnen kann. Guardini bleibt in der Kritik an den Verhältnissen nicht stehen. Es geht ihm um die Aufgabe, die Macht so einzuordnen, dass der Mensch in ihrem Gebrauch als Mensch bestehen kann und nicht restlos Machtmechanismen ausgesetzt ist oder ihnen gar verfällt.
Prof. Dr. Michael Seewald, Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Münster, stellt seine Überlegungen zu zwei Begriffen Romano Guardinis vor.
ReligiösTalk
zur debatte Folgen
Dokumentierte Vielfalt hören von Veranstaltungen der Katholischen Akademie in Bayern. Referate, Diskussionen und Gespräche zu Themen, die Kirche und Gesellschaft interessieren: Expertinnen und Experten haben das Wort.
Folgen von zur debatte
205 Folgen
-
Folge vom 11.10.2025Michael Seewald: Menschlichkeit und Machtgefahr - Überlegungen zu Begriffen Romano Guardinis
-
Folge vom 11.10.2025Jean Greisch: Romano Guardinis Auseinandersetzung mit dem Phänomen der MachtRomano Guardini veröffentlichte 1951 unter dem Titel „Die Macht – Versuch einer Wegweisung“ eine Denkschrift, die auffällig viele Bezüge zu unserer Gegenwart aufweist – in Europa und weltweit. Bisher für stabil gehaltene soziale Systeme scheinen plötzlich zu erodieren. Autokraten bemächtigen sich immer häufiger offener Zivilgesellschaften. Aber auch die Mächtigen fühlen sich zunehmend vereinnahmt von ihrer eigenen Machtfülle. „Die Familie verliert ihre gliedernde und ordnende Funktion“, resümiert Guardini, „die neuen Städte gleichen einander immer mehr, ob sie nun in Europa oder in China, in Nordamerika, Russland oder Südamerika entstehen.“ Von dieser Nivellierung ausgehend bildet sich ein neuer Typus Mensch heraus, „der aus dem Augenblick lebt, einen beängstigenden Charakter beliebiger Vertretbarkeit bekommt und dem Zugriff der Macht bereitsteht.“ Die Rückbesinnung auf die transzendente Dimension kann eine Wegweisung sein. Die Beziehung zu Gott öffnet dem Menschen einen Freiraum, der ihn vor dem Zugriff der Macht wappnen kann. Guardini bleibt in der Kritik an den Verhältnissen nicht stehen. Es geht ihm um die Aufgabe, die Macht so einzuordnen, dass der Mensch in ihrem Gebrauch als Mensch bestehen kann und nicht restlos Machtmechanismen ausgesetzt ist oder ihnen gar verfällt. Prof. Dr. Jean Greisch, Professor em. für Philosophie und ehemaliger Inhaber der Guardini-Professur für Religionsphilosophie und Katholische Weltanschauung an der Humboldt-Universität zu Berlin, gilt als einer der besten Kenner Romano Guardinis. Prof. Dr. Jean Greisch referierte zum Thema 'Romano Guardinis Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Macht' bei der Guardini-Tagung 30.1.-1.2.2020.
-
Folge vom 11.10.2025Thomas M. Schmidt: Jürgen Habermas und die ReligionAm 14. Januar 2020 haben wir uns in der Katholischen Akademie in Bayern darum bemüht, das Denken von Jürgen Habermas zu ergründen. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie sich Glauben und Wissen zueinander verhalten. Die Akademie knüpfte damit an das berühmte Gespräch des Philosophen mit Kardinal Joseph Ratzinger in der Akademie an, als Habermas und der nachmalige Papst Benedikt XVI. das schwierige Verhältnis von Vernunft und Religion vor einem kleinen Kreis von Geladenen diskutierten. Der Habermas-Schüler Thomas M. Schmidt, Professor für Religionsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt, den wir als Referenten gewinnen konnten, gilt als einer der besten Kenner des Habermas-Kosmos. Die Diskussion moderierte Dominik Fröhlich, Katholische Akademie in Bayern.
-
Folge vom 11.10.2025John Arnold: Der Erzbischof von Canterbury in der DDRFür besonderes Engagement in der Ökumene der katholischen Kirche mit den Kirchen der Reformation wurde 2001 der „Ökumenische Preis der Katholischen Akademie“ an Stephen Sykes und John Arnold vergeben. Letzterer berichtete in seiner Ökumenepreis-Rede von einer weitgehend unbekannten Episode aus der Zeit der deutschen Teilung, dem Besuch des Erzbischofs von Canterbury, Michael Ramsey, in der DDR. Arnold begleitete 1974 den Erzbischof auf seiner Reise. Sein persönlicher Blick als Zeitzeuge dieses Ereignisses aus den siebziger Jahren im Osten Deutschlands ist gleichermaßen spannend wie berührend: John Arnold berichtet als Zeitzeuge von den Verhältnissen in der DDR und wie die anglikanischen Gäste aus dem Vereinigten Königreich damit umgingen. Dr. John Arnold, geb. 1933 in London, ist Träger des „Most Excellent Order of the British Empire“ OBE. Er studierte Französisch, Deutsch, Russisch und Theologie, wirkte nach einer wissenschaftlichen Tätigkeit als Dean of Rochester und Dean of Durham. Im Rahmen seiner diplomatischen Aufgaben begleitete er The Most Reverend and Right Honourable Michael Ramsey, Archbishop of Canterbury 1961 – 1974, bei seinem Besuch in der DDR.